Es geschieht einfach – das ärgert mich jedesmal!

Der Fall Herr Peters (Name geändert)

Wenn Herr Peters über sein Projekt gegenüber dem Lenkungsausschuss berichten soll, fängt er an zu zittern, spürt seinen Herzschlag in seiner Brust, bekommt einen Schweißausbruch und wird sehr nervös. Selbst wenn sich der Projektfortschritt durchaus zeigen lässt, ärgert er sich jedes Mal über seine Symptome!

Nachdem sich diese Symptome bereits über längere Zeit zeigen und auch einige Arztbesuche in den letzten Monaten nichts ergaben, war zumindest der letzte ein wenig hilfreich. Er bekam den Tipp zu klären, ob es sich in seinem Fall evtl. um eine psychosomatische Folge handeln könnte. So entschied er sich erst einmal für ein Coaching mit der Fragestellung, wie sich seine Professionalität für Präsentationen optimieren lässt. Nachdem dies bis auf ein paar kleinere hilfreiche Tipps nichts Grundlegendes veränderte, entschied er sich einmal dem Blickwinkel der Psychotherapie zu nähern.

Hintergrund

Ohne unseren Körper können wir keine Gefühle erleben. Hatten wir einmal traumatische Erlebnisse, kann es sein, dass diese sich im Körper abspeichern. Nicht nur im Gehirn, sondern auch in jeder Zelle, in jedem Organ unseres Körpers. Konnte das Trauma nicht erfolgreich verarbeitet werden, auch nicht nach einiger Zeit, gilt dies umso mehr und kann sich unter Umständen je nach Situation und Kontext auch lebensbedrohlich auswirken. Insofern werden immer wieder die psychischen Folgen traumatischer Erlebnisse unterschätzt und gar nicht oder erst sehr spät psychotherapeutisch behandelt.

Trigger und Psyche

Wir kennen es für manche Themen in unserem Alltagsleben. Dinge, die wir nicht mögen, versuchen wir bei Gelegenheit zu meiden, wenn wir sie entsprechend auch als unangenehm empfinden und sie nicht wollen. Dies kann evtl. kaum von Belang sein und unser Leben nicht wesentlich beeinflussen. Es ist allerdings je nach Fall auch möglich, dass sich aufgrund der empfundenen Tiefe von Erlebnissen oder reale Geschehnisse, die uns nur erzählt wurden und dennoch tief bewegt haben, sich weit in unser Unbewusstes verlagern. Als Auswirkung beginnen wir dann zu leiden oder auch bestimmte Dinge zu vermeiden, die damit in Zusammenhang stehen. Ohne dass uns dies bewusst wird. In diesem Fall bedeutet dies, dass noch nicht vollständig verarbeitete traumatische Erlebnisse bis in den Alltag im Hier und Jetzt eine Rolle spielen. So kann irgendein Trigger im Alltag genügen, dass der Körper diese Erinnerung wieder aufruft, aktiviert und wir entsprechend reagieren. Und wir wissen evtl. einfach gar nicht, weshalb. Es geschieht einfach.

Meine Sicht der Dinge

Führen Vermeidungsstrategien im Beruf, Privat oder bei bestimmten Anlässen zu einer wesentlichen Veränderung bzw. zu Einbußen in unserer Lebensqualität, lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen, inwieweit hier Zusammenhänge zwischen vorangegangenen Erfahrungen und Trigger im Alltag zu finden sind, die unsere Lebensqualität negativ beeinflussen.

Die Lösung ist das Problem

Durch traumatische Erfahrungen entwickeln wir in unserem Gehirn Assoziationsnetzwerke des Erlebens. Das Erlebte führt zu einer Körperreaktion (Schweißausbruch, erhöhter Herzschlag usw.), führt zu Gefühlen (Furcht usw.), führt zu Gedanken (ich kann das nicht usw.), führt zu verändertem Verhalten (Terminverschiebung, Ablenkung, übermäßige Beschäftigung mit etwas, Krankmeldung usw.), führt zu einer veränderten Kommunikation (mir fallen z.B. bestimmte Wort nicht mehr ein). Wir erleben hier Wirkzusammenhänge (Muster), die uns als Ganzes in eine schwierige Lage versetzen. Wir wenden ein Lösungs-Muster an, welches für diese Situation als solches nicht hilfreich wirkt. Insofern gehören die Bedingungen für die Reaktion (was löst aus, dass wir jedesmal auf diese Weise reagieren) in den Fokus, nicht die von uns erwähnte Problemsituation.

Die Lösung für das Problem

Bei bestimmten traumatisierenden Erlebnissen haben wir zum Zeitpunkt eines vergangenen Ereignisses mit der uns zu diesem Zeitpunkt besten Möglichkeit reagiert. Das gilt es wertzuschätzen. Auch hat sich dieses Lösungsmuster in unserem Geist und Körper festgesetzt. Unser Körper und unser Unwillkürliches wenden es an, sobald sich hierfür wieder ähnliche Aspekte (Trigger) in einer neuen Situation ergeben. Selbst wenn es für die neue Situation nicht unbedingt hilfreich bzw. nützlich ist.  – Es geschieht einfach, ganz unwillkürlich, bewusst oder unbewusst – und wir können nicht anders.

Weiter im Fall 

So war die Reaktion bei Herrn Peters vor oder während den Präsentationen immer wieder die gleiche, ob er wollte oder nicht. Im Rahmen der Anamnese hatte sich herausgestellt, dass er während seiner Schulzeit vor seinem Lehrer und der Klasse immer wieder an der Tafel Leistungen präsentieren musste. Dabei wurde er vom Lehrer vor den anderen öfter getadelt, unabhängig davon wie gut seine Leistungen waren. Er fühlte sich mit der Zeit immer unwohler, wurde immer unsicherer und spürte so etwas wie eine Scham gegenüber seinen Mitschülern. Im Laufe der weiteren Schulzeit verdrängte er diese Erfahrung und vergaß sie. In den weiteren Jahren spielten Präsentationen vor einem Publikum in seinem Werdegang eine eher untergeordnete Rolle.

Die ersten Schritte

Für Herrn Peters war klar, sich bzgl. dieses Themas gegenüber einer anderen Person zu öffnen („präsentieren“) bedarf eines tiefen Vertrauens und einer Person, die mit ihm keine Verbindung in sein Berufs- oder Privatleben pflegt. Da wollte er sich sicher sein. Auch nahm er sich vor, sich die Möglichkeit offen zu halten, ob und wie er von Sitzung zu Sitzung weiter machen wollte. Der vertrauensvolle Beziehungsaufbau im Rahmen des Erstgesprächs half ihm, sich für eine Therapie zu entscheiden.

Was meiner Ansicht nach noch eine wesentliche Rolle spielt

Für einen Fall wie hier beschrieben möchte ich gerne den Ansatz der hypnosystemischen Teiletherapie erwähnen, welcher hier seine Anwendung fand und Herrn Peters sehr weitergeholfen hat. Bei dieser Therapieform betrachten wir die Wirkzusammenhänge und ihre Auswirkungen (nicht Ursachen), unter denen der Klient leidet. Hinzu enthüllten wir, dass nur „eine Seite“ in ihm dieses Erleben hat, nicht Herr Peters als Gesamtperson. Es ist auch nicht erforderlich, tiefergehende Analysen als Ursache-Wirkungskette mit Hilfe der Betrachtung der Vergangenheit aufzubauen. Wir betrachten die unterschiedlichen Seiten oder inneren Anteile des Klienten, die in diesem Kontext eine wesentliche Rolle spielen, sowie deren Zusammenspiel und Auswirkungen. Und genau hier können wir dann als Therapeut:in den Klienten helfen, ihre eigene Realität auf andere Weise zu bewegen und neue Erfahrungen zu machen.

Weiter im Fall Peters

Bei Herrn Peters stellte sich heraus, dass im Rahmen seines Seitenmodells eine Ambivalenz von inneren Anteilen zu immer wiederkehrenden inneren Spannungen führte. Es zeigte sich eine ängstliche Seite und eine wütende Seite. Hier war es wichtig, die Lösungsversuche der wütenden Seite als positive Absicht für die Gesamtperson zu würdigen, wie auch die ängstliche Seite anzuerkennen und wertzuschätzen. Schließlich hatte er auf der einen Seite Angst und auf der anderen Seite ärgerte er sich über seine Schwierigkeiten bei den Präsentationen, selbst wenn es nach seiner ersten Ansicht nach keinerlei Gründe dafür gab. Auch wenn die ängstliche Seite eine Art Spiegelung von Erfahrungen aus der Vergangenheit war, ist es in solch einem Falle möglich unter dessen Berücksichtigung sich mit einer Lösung im gegenwärtigen Kontext zu beschäftigen, ohne die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Bei Herrn Peters war es wichtig noch eine weitere Seite, die der Scham mit zu berücksichtigen, um die Zusammenhänge und Muster besser zu verstehen. Denn all diese Seiten oder Anteile in ihm waren für das Erlernen neuer Lösungsstrategien für sein Anliegen relevant.

Entscheidend für das Erlernen eines besseren Umgangs mit dieser Situation war der Wechsel des konfrontierenden Zusammenspiels zwischen der ängstlichen und wütenden Seite hin zu einer Kooperation beider Seiten. Auch gehörte die Integration eines internen Steuer-Ich dazu. Dies beruhte unter anderem auf der gewonnenen Erkenntnis, dass es sich bei seinem Anliegen nicht um die Betroffenheit als Gesamtperson handelt, sondern um eine Seite aus seinem Inneren und einzelne gerne das Ruder übernehmen. Dieses innere Steuer-Ich lernte unter Berücksichtigung aller weiteren inneren Anteile die Gesamtkoordination zu übernehmen, zu behalten oder auch wieder zurückzugewinnen.

Fühlen Sie sich manchmal wie Herr Peters oder befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation?

Gerne biete ich Ihnen ein kostenfreies Erstgespräch an. Selbstverständlich unverbindlich und vertrauensvoll.